Regeln ParagraphenBlaue Karte, Pause für Verletzte, passives Spiel: Der Handball-Weltverband IHF wird schon bei den Weltmeisterschaften der Frauen vom 5. bis 20. Dezember in Dänemark fünf neue Regeln einführen. In Deutschland sollen sie aber erst zur kommenden Saison 2016/17 greifen.

Als 2001 die „schnelle Mitte“ eingeführt worden ist, hat das Handballspiel eine völlig neue Dynamik und vor allem Attraktivität erhalten. Die Regeländerungen, die jetzt anstehen, sind in ihrem Ausmaß nicht zu vergleichen, für Gesprächsstoff werden aber auch sie noch sorgen. Getestet wurden sie im Übrigen schon mal bei der Junioren-Weltmeisterschaft in Brasilien. „Wir haben viel positives Feedback bekommen. Ich habe den Eindruck, dass wir auf dem richtigen Weg sind“, erklärt der Offenburger Manfred Prause, der Vorsitzender der Regel- und Schiedsrichterkommission der IHF ist, in einem Interview mit handball-world.com.

Schiri Blaue Karte

„Grundsätzlich finde ich die Neuerungen gut“, sagte Hansi Ganter, der Vizepräsident Spieltechnik des Südbadischen Handball-Verbandes (SHV), auf Anfrage des Offenburger Tageblattes. Vor allem, dass künftig grobe Fouls oder Regelwidrigkeiten in den letzten 30 Sekunden grundsätzlich mit einer Roten Karte und einem Strafwurf für die angreifende Mannschaft geahndet werden, entspricht der Vorstellung von Ganter. „Jetzt wird sich jeder Spieler überlegen, ob er noch mal eingreift.“

Diese Neuerung gilt im Übrigen bereits seit dieser Saison in der Bundesliga. „Damit wollen wir bewusst unsportliches Verhalten am Ende des Spieles vermeiden“, präzisiert Prause den Hintergrund: „Bisher erhielt ein Spieler bei solchen Unsportlichkeiten in letzter Minute eine Rote Karte mit Bericht und damit eine Sperre, aber die gegnerische Mannschaft hatte nichts davon.“ Allerdings sind von der neuen Regel nur Fouls betroffen, die bisher sowieso schon eine Rote Karte nach sich gezogen haben. „Festmachen ist weiterhin ein einfacher Freiwurf“, betont Prause.

Noch mehr Dynamik ihres Spiels erhoffen sich die Regel-Hüter durch die neue Zeitspielregel. Nach der Anzeige des „passiven Spiels“ durch die Schiedsrichter darf das angreifende Team nur noch maximal sechs Pässe spielen, bevor der Angriff abgepfiffen wird. Bislang lag diese Entscheidung im Ermessen der Schiedsrichter. Bunter wird das Handballspiel künftig durch eine Blaue Karte. Erhält derzeit ein Spieler eine Rote Karte, ist meist nicht deutlich, ob diese einen Bericht und damit eine automatische Sperre nach sich zieht. Mit der Blauen Karte zeigen die Schiris dem Kampfgericht nun an, dass sie einen Bericht schreiben werden.

Bewusstes Zeitschinden oder Spielunterbrechung versucht die Regelkommission zu verhindern, in dem künftig die Behandlung von Spielern auf dem Feld geregelt ist. Wird ein Mannschaftsoffizieller zur Behandlung eines Spielers aufs Feld geschickt, muss der Spieler die Fläche verlassen und drei Angriffe pausen. Die Überwachung der drei Angriffe erfolgt durch das Kampfgericht. Möglicherweise wird es dafür am Tisch eine Weiße Karte geben. „Diese Regelung kann zu Problemen führen“, macht sich Ganter nichts vor, „bei uns sitzt da auch mal ein Vater am Tisch. Das ist nicht so wie bei den Profis.“ Auch Prause gibt zu bedenken: „Es ist vielleicht noch nicht der Weisheit letzter Schluss.“

Deshalb warnt auch Hansi Ganter: „Wir müssen aufpassen, dass Otto Normalverbraucher die neuen Regeln noch kapiert. Es wird uns eh schon vorgeworfen, dass wir Handballer mit die kompliziertesten Regeln haben.“

Die neuen Handball-Regeln
Siebter Feldspieler statt Torwart:
Künftig muss ein siebter Feldspieler nicht mehr mit einem andersfarbigen Trikot oder Leibchen als Torwart gekennzeichnet sein. Dann darf er aber auch nicht mehr die »Aufgaben« des Torwarts erfüllen und zum Beispiel den Sechs-Meter-Raum betreten – sonst gibt es einen Strafwurf. Es ist allerdings weiterhin erlaubt, einen siebten Feldspieler als »Ersatz-Torwart« zu kennzeichnen, der dann auch in der Abwehr den Torraum betreten darf.

Verletzte Spieler:
„Als Konsequenz aus vergangenen Turnieren, wo scheinbar verletzte Spieler versuchten, den Spielfluss des Gegners dadurch zu unterbinden, dass sie eine medizinische Behandlung forderten“, so die IHF, hat die Regelkommission folgende Änderung beschlossen: Die Zahl der Behandlungen auf dem Feld soll reduziert werden, nur in berechtigten Fällen sollen die Schiedsrichter Offizielle der Mannschaften aufs Feld lassen. Wird er auf dem Feld behandelt, muss der verletzte Spieler allerdings drei Angriffe seiner Mannschaft auf der Bank pausieren, ehe er wieder aufs Feld darf. Seine Mannschaft muss den freien Platz mit einem anderen Spieler auffüllen. Diese drei Angriffe werden von den Spieloffiziellen überwacht. Betritt der Spieler das Feld früher, erhält er eine Zwei-Minuten-Strafe wegen falschen Wechsels. Von dieser Regel ausgenommen sind zwei Fälle. Erstens Behandlungen von Torhütern nach Kopftreffern und zweitens, wenn der Gegenspieler nach einem Foul eine progressive Bestrafung (Gelbe Karte, zwei Minuten, Rote Karte) erhält, darf der Spieler/Spielerin auf dem Feld bleiben. (mq)

Passives Spiel:
Wenn die Schiedsrichter das Zeichen für Zeitspiel geben, darf die angreifende Mannschaft noch sechs Pässe spielen, bevor abgepfiffen wird und der Gegner den Ball erhält. Diese sechs Pässe werden auch dann nicht unterbrochen, wenn die gegnerische Mannschaft einen Wurf abgeblockt hat oder die Angreifer einen Freiwurf erhalten.

Regelungen für die letzten 30 Sekunden:
Bereits in der Männer- und Frauen-Bundesliga wird seit dieser Saison die Neuregelung umgesetzt, die Fouls in den letzten 30 Sekunden betrifft – und nicht, wie 2010 von der IHF beschlossen, in der letzten Spielminute. Begeht ein Abwehrspieler in diesem Zeitraum eine grobe Regelwidrigkeit oder blockiert zum Beispiel einen Anwurf oder Freiwurf, erhält er eine Rote Karte (ohne Zusatzbericht) und – das ist neu – die angreifende Mannschaft automatisch einen Siebenmeter. Allerdings wird nicht jedes Fouls in den letzten 30 Sekunden nach dieser Regel geahndet.

Blaue Karte:
Um allen Beteiligten nach einer Roten Karte sofort klar zu machen, ob ein Zusatzbericht folgen wird, der dann im Falle der IHF eine Entscheidung der Disziplinarkommission nach sich zieht (automatische Sperre), werden die Schiedsrichter in solchen Fällen nach der Roten auch eine Blaue Karte zeigen.

Videobeweis:
Bei der Frauen-Weltmeisterschaft in Dänemark wird  – wie schon bei der Männer-Weltmeisterschaft im Januar in Katar – der Videobeweis eingesetzt. Die IHF hat den Rahmen für diese technische Unterstützung der Schiedsrichter zudem erweitert. Künftig kann er bei folgenden Situationen genutzt werden:
– Tor oder kein Tor
– Tor nach Ende der Spielzeit oder nicht
– Unfaire Aktionen im Rücken der Schiedsrichter
– Rote Karte gegen einen falschen Spieler
– »Rudelbildung«
– Bei Fragen, ob Spieler eine Rote oder Blaue Karte erhalten sollen
– Falscher Wechsel.

Quelle: DHB-Presse